Cultural Transformation: Wie kleinste Lerneinheiten Haltung verändern
In Team-Workshops verwenden wir regelmäßig kleine methodische Einheiten, wie z.B. etablierte Kreativ- oder Kommunikationsmethoden. Im Nachgang bekommen die Teilnehmer dann nicht nur die von Ihnen erarbeiteten Workshop-Ergebnisse, sondern oft auch ein Kurz-Training oder eine Zusammenfassung der eingesetzten Tools. Denn diese sind meistens in verschiedenen Kontexten nützlich und werden auch sehr interessiert aufgenommen. Aber helfen sie auch langfristig?
Der Ansatz war klar: Wir bearbeiten ein Thema mit dem Team und benutzen dafür eine recht universell einsetzbare Methode. Soll also zum Beispiel ein bestimmtes Problem aus verschiedenen Sichtweisen betrachtet werden, eignet sich hier die Methode der 6 Denkhüte von Edward de Bono. Der Coach erklärt den Ansatz und das Team verwendet die Methode – angeleitet, praktisch und dicht am aktuellen Thema. Ergebnis: Das eigentliche Thema ist geklärt und zusätzlich hat man ein neues Werkzeug kennengelernt. Dieses wird hin und wieder vom Coach wiederholt und kann dann idealerweise später von den Teilnehmern selbstständig eingesetzt werden. Eine schöne Synergie.
Hierzu haben wir die “Mini-Trainings” entworfen. Anleitungen zum sofortigen Einsatz mit der Option zur weiteren Vertiefung in drei Teilen:
- Praxisstufe
Ein Quick-Guide als Einseiter zur sofortigen Anwendung ohne Zeitverlust. Keine langen Erklärungen, klare Anweisungen, Schritt für Schritt auf den Punkt. - Vertiefungsstufe
Tipps & Tricks auf mehreren Seiten, für vertiefende Hinweise und ein besseres verstehen von Details oder Varianten. Sie betrachten das Lernthema etwas umfänglicher und gehen mehr in die Tiefe und die Breite. - Feedback-Stufe
Ein kleiner Multiple Choice Test als Lernhilfe. Hier geht es uns mehr darum, dem Lernenden eine Lernmotivation zu bieten als darum, wirklich den Wissensstand zu prüfen.
Als Beispiel hier das Mini-Training zur Moderation.
Was wir nicht erreicht haben: Verbreiterung des Methodenwissens
Unser Ziel, dass die Gruppen oder Individuen die verwendeten Methoden selbständig, also ohne Leitung durch den Coach einsetzen und im Weiteren sogar auf ähnliche Problemfelder anwenden, konnten wir bisher nicht erreichen. Egal wie groß das Interesse an den trainierten Methoden auch war und wie effektiv sie die jeweiligen Probleme auch gelöst haben: Die Teilnehmer blieben weit von einem eigenständigen Einsatz entfernt. Und das obwohl die Kurzanleitungen allen zur Verfügung standen und mehrmals trainiert worden sind. Was im Idealfall hängen blieb, war der Name der Methode und eine vage positive Erinnerung an die Erlebnisse beim begleiteten Einsatz.
Wir können nur vermuten, dass die Relevanz für die Teams im Arbeitsalltag zu gering war: “Als Softwareentwickler liegt mein Fokus mehr auf neuen Architekturen und Systemen als auf Management-Methoden”. Der leichte Trend, dass UX-Designer und Projektmanager, also Berufsgruppen mit etwas mehr Nähe zur Organisation, größeres Interesse und Erinnerungsvermögen zeigten, könnte unsere Annahme bestätigen.
Was wir stattdessen erreicht haben: Veränderung der Teamkultur
Die neuen Methoden wurden in regelmäßigen Abständen eingeführt. Alle zwei Wochen über einen Zeitraum von gut 6 Monaten fand ein sogenanntes Mini-Training statt. Eine halbe Stunde wurde jeweils ein methodischer Ansatz vorgestellt, geübt und reflektiert. Nach 12 Trainings, die insgesamt ca. 6h in Anspruch nahmen, machten sich Veränderungen in den Gruppen bemerkbar: Die Bereitschaft andere Sichtweisen anzuerkennen und mit ihnen konstruktiv umzugehen nahm zu. Es gab weniger Streits und mehr befruchtende Momente. Diese Veränderung der Haltung blieb über mehrere Jahre bestehen – auch nachdem die Mini-Trainings bereits beendet waren. Die Kultur einer IT-Abteilung mit 40 Mitarbeitern hatte sich fühlbar und beständig gewandelt.
Unsere Vermutung ist, dass die langsame Veränderung der Kultur durch die Thematisierung der immer gleichen Aspekte auf verschiedenen Ebenen und mit verschiedenen Blickwinkeln letztendlich genügend Mitglieder der Gruppe erreicht hat, so dass sich die neue Haltung in der Gruppe etablieren konnte und selbstständig weiter verbreitet hat.
Trainierte Methoden und Ansätze, welche die Unterschiedlichkeit thematisieren:
- Edward de Bonos 6 Hüte
- Disney 3 Stühle
- Reflecting Team
- Teamrollen
- Riemann-Thomann Modell
- OK-Matrix
Trainierte Methoden und Ansätze, welche den Austausch thematisieren:
- Eisbergmodell der Kommunikation
- Sender-Empfänger Modell der Kommunikation
- Feedback geben und nehmen
- Gewaltfreie Kommunikation
- Umgang mit Einwänden bei Entscheidungen
- Systemische Fragen
Propagierte Cultural Transformation Ansätze haben eine top-down Struktur und beginnen mit einer Statusbestimmung via Umfragen, Involvierung des Managements, Ausarbeitung von Strategien usw. Unser Ansatz hatte eher eine bottom-up Struktur: Die Mitarbeiter lernten in Kleingruppen spielerisch Kleinstmethoden, welche insgesamt eine andere mögliche Sicht auf das Miteinander propagiert haben. Ab einem bestimmten Punkt wurde dann die Führung eingebunden, um die neue Kultur aktiv zu unterstützen.
Wir möchten hier keinen Ansatz propagieren. Jedoch hinterlässt der Top-Down-Ansatz den Eindruck, als könnte man Kulturveränderung beschließen, nach einem Gant-Chart umsetzen und in harten Zahlen messen. Das widerspricht unserer Erfahrung in der Praxis. Der Bottom-Up-Ansatz hat dagegen einige überzeugende Aspekte: Die Arbeit am operativen Problem, Lernen und Integration in Prozesse. Zudem geht einem als Coach “das Herz auf“, wenn zwei Entwickler sich mal wieder streiten, aber diesmal erkennen, dass sie aus unterschiedlichen Perspektiven auf das gleiche Problem schauen und damit in der Lage sind, ihren Konflikt produktiv zu nutzen, statt sich bis aufs Blut zu zanken.
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