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Konflikte als Verbesserungsmotor in Gruppen


Konflikte

Immer wenn Menschen zusammenarbeiten, entstehen Konflikte. Konflikte sind ein integraler Bestandteil von Kooperationen. Als natürliche Kraft zur Optimierung von Systemen zeigen sie uns, wenn etwas im Argen liegt, dass etwas verändert werden muss. Sie sind deshalb sehr gute Indikatoren für eine notwendige Anpassung, die früher oder später geleistet werden muss, um nicht zum Stolperstein zu werden.

 

Konflikte sind an sich neutrale Ereignisse: Zwei Parteien entdecken scheinbare Unvereinbarkeiten. Erst die Interpretation in Bezug auf Bedürfnisse, z.B. den Wunsch nach Stabilität, gibt Konflikten eine Wertung. Leider werden Konflikte oft als Problem statt als Chance gesehen. Für viele hat schon das Wort „Konflikt“ selbst eine negative Bedeutung. Denn Konflikte sind unbequem: Kritik an anderen führt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zur Kritik an einem selbst. Das schürt schnell tiefliegende Ängste davor, in der Gruppe in Ungnade zu fallen, abgelehnt oder zurückgewiesen zu werden.

 

Individuen

Wir suchen nach “guten Gruppen”, in denen wir wenig Individualität aufgeben müssen und vielleicht noch mehr an Individualität gewinnen. Auftretende Disharmonien sind notwendige Änderungsimpulse, um neue Erfahrungen zu machen, andere Perspektiven einzunehmen und sich weiterzuentwickeln. Dafür müssen jedoch Dissonanzen ausgehalten werden können. Nur wenn ich wirklich bei mir bin, kann ich anderen in meinem Umfeld auch wirklich etwas geben. Wir fragen daher, was die Gruppe uns geben kann.

 

Gruppen

Gruppen hingegen suchen nach “guten Individuen”, die ihre Individualität einer Gruppenidentität unterordnen. Die Gruppe fragt, was der oder die Einzelne der Gruppe geben kann. Alles beginnt und endet also mit der Frage: Wer gibt dem Gegenüber als erstes den Vertrauensvorschuss bzw. wer ist als Erster bereit, sich auf anderes Denken einzulassen?

 

Alle Maßnahmen, die Unternehmen treffen, damit es ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besser geht, sind letztendlich nur Versuche, deren Leistung zu optimieren. Das kann zu einer Atmosphäre führen, in der sich alle als Freunde verstehen und jede Reibung vermieden wird. Doch gute Zusammenarbeit braucht eben auch Reibung. Denn wirklich Gutes entsteht nur, wenn um die richtige Lösung auch mal gestritten wird. Wer seine Argumentation vor anderen verteidigen muss, wird sie hinterfragen, schärfen und ergänzen. Das ist nicht einfach, doch die Kritik macht sie besser. Deshalb sind Konflikte in Gruppen eine kraftvolle Quelle für Kreativität, neue Lösungen und Gruppendynamik. “Konsens lässt uns alle in derselben grauen Einheitsmasse versinken, während echte Kreativität sehr viel mit Konfrontation und Skandal zu tun hat.” pflegt der Managementprofessor Alf Rehn zu sagen.

 

Konflikte zeigen Unterschiede in Sichtweisen, Meinungen und Zielen auf. Diese Unterschiede basieren meist auf andersartigem Wissen und unterschiedlicher Erfahrung der Beteiligten. Und nur das Gesamtbild der einzelnen Standpunkte zeigt den optimalen Lösungsweg in einem Team. Sich wirklich zuhören und versuchen sich zu verstehen, erzeugt gegenseitigen Respekt. Dieser Respekt macht eine fruchtbare Zusammenarbeit erst möglich und steigert somit die Effizienz der Gruppe. Der richtige Umgang mit verschiedenen Sichtweisen, Werten und Verhaltensweisen ist der wichtigste Schritt zu einer Kultur echter Zusammenarbeit.

 

Was tun?

Es geht zuallererst um das Ändern von Gewohnheiten und Denkweisen. Sobald die Beteiligten Konflikte als das sehen, was sie sind – Signale, die ein Verbesserungspotenzial aufzeigen – entwickeln sie mit Hilfe dieser Konflikte von selber neue, bessere Strukturen – wenn man sie lässt. Anstatt Konflikte als Hindernis zu sehen, sollten sie als wichtige Eigenschaft der Gruppenarbeit betrachtet werden. Gutes Konfliktmanagement basiert auf einer Kultur, die aktiv nach unterschiedlichen Ansichten sucht sowie Interesse und Neugier fördert. Die Bewältigung der dann an die Oberfläche kommenden Konflikte bindet zuerst Ressourcen, aber dieses Investment ist bei weitem kleiner als die versteckten Kosten, die unbearbeitete Konflikte normalerweise verursachen. Es ist eine Arbeitsumgebung notwendig, in der Konflikte als wichtiger Teil der Entwicklung gesehen werden. Konstruktive Konfliktaustragung ist aber nur möglich in einem Klima gegenseitiger Anerkennung, in dem niemand das eigene Selbstwertgefühl bedroht fühlt. “Konsequent in der Sache, sanft zu den Menschen.”

 


  • Barnes-Slater, C. and Ford, J. “Measuring Conflict: Both The Hidden Costs and the Benefits of Conflict Management Interventions” Oakland: MGH Consulting, LLC
  • Baron, R. A.  “Positive Effects of Conflict: A Cognitive Perspective” Netherlands: Employee Responsibilities and Rights Journal, Vol. 4, No. 1, 1991
  • Dana, D. “How Much is Conflict Costing Your Organization?” Kansas City: Dana Mediation Institute, Inc., 2008
  • Rehn. A. „Gefährliche Ideen: Von der macht des ungehemmten Denkens“ Frankfurt, Campus Verlag, 2012
  • Hecht, M. “Die Harmonie Lüge” Weinheim: Psychologie heute, Verlagsgruppe Beltz, 43. Jahrgang, Heft 8
  • Seebauer, L., Jacobs, G. “Raus aus der Harmoniefalle” Weinheim: Psychologie heute, Verlagsgruppe Beltz, 43. Jahrgang, Heft 8

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