Zusammenarbeiten durch Zusammenwürfeln?
In vielen Teilen der Welt sind in den letzten Jahren – oft staatlich oder kommunal gefördert – neue Orte der Zusammenarbeit entstanden, sogenannte Co-Working-Spaces, Citizen Science Centre, Innovation Hubs, Design Hubs, Fablabs etc. Es sind Orte, an denen Menschen kreativ zusammenarbeiten sollen.
Die Website https://www.fablabs.io/labs listet derzeit über 1200 aktive Fablabs weltweit, davon 41 in Deutschland. Das „Projekt Zukunft“ der Stadt Berlin listet 70 Co-Working-Spaces in der Metropole. Es ist ganz klar: In Zeiten der Sharing-Economy ist “Zusammen” ein Hype. Doch schicke Räume und gute Ausstattung allein reichen nicht aus, um gute Zusammenarbeit zu etablieren.
Ich bin öfter an solchen Orten anzutreffen. Manchmal trage ich dann mein School-of-Collaboration-Hoody mit der Aufschrift: “Collaboration kills creativity?”. Das liefert meist einen guten Anlass für Gespräche. So auch einmal, irgendwo in einem großen Co-Working-Space und Citizen-Science-Lab in der Schweiz. Während des gemeinsamen Rundgangs wird von der guten Ausstattung gesprochen und dem vielen Platz. Hier der neue 3D-Drucker, dort der erste selbst gebaute Bio-Reaktor. Es ist klar: Hier passiert viel und alle sind irgendwie stolz, mit dabei zu sein. Am Ende der Führung komme ich dann mit einem der Protagonisten ins persönliche Gespräch: “Ja, stimmt, collaboration kills creativity. Das denke ich mir auch manchmal, wenn ich hier bin …” sagt mein Gegenüber. “Ich bin der einzige Praktiker hier, der das Handwerk in einer Ausbildung gelernt hat. Die anderen kommen alle von der Uni. Die können noch nicht mal die Werkstatt aufräumen, nachdem sie sie benutzt haben.” Ich höre zu und erfahre eine ganze Reihe von Dingen, die mich stark an meine ersten WG-Erlebnisse erinnern.
Denn nur sehr selten machen sich die Initiatoren und Akteure Gedanken darum, wie die teilweise eher zufällig zusammengewürfelten Beteiligten das “Gemeinsame” sinnvoll hinbekommen sollen. Meist bildet sich irgendwann eine bestimmte Gruppe heraus, die den Laden dann irgendwie bespielt und in ihre Richtung lenkt. Dabei entstehen Struktur und Kultur häufig eher zufällig, je nachdem, welche Charaktere aufeinandertreffen. Ich habe meine Zweifel daran, dass Menschen, die sich ad hoc an gemeinsamen Orten einfinden, einfach so dauerhaft wirklich gut zusammenarbeiten können. Erst recht nicht, je diverser die Gruppe ist, die sich dort findet.
Doch gerade hier liegt ja eigentlich die Chance: einen Raum zu schaffen, in dem nicht schon alles geregelt ist, der offen für neue Ideen ist und in dem sich unterschiedliche Menschen mit ihren verschiedenen Fähigkeiten und Fertigkeiten unterstützen und voneinander lernen können. Es gibt hierzu auch einige gute Beispiele: Am Innovation-Hub des CERN fiel mir positiv auf, dass es dort lustige “Hugging-Points” gibt – Orte, markiert durch große Klebepunkte auf dem Boden, an denen die Menschen sich spontan mal in den Arm nehmen sollen. Hier und dort hängen ein paar gut gestaltete Hinweisschilder, die für eine gewisse Grundstimmung und Ordnung sorgen und den unterschiedlichen Akteuren helfen, sich als Gruppe zu finden. Wenn jetzt noch hier und da ein paar Trainings stattfinden, die beim Umgang mit Unterschieden und Konflikten helfen, dann kann es meiner Ansicht nach richtig viel Spaß machen, sich gemeinsam kreativ auszutoben. Dem Zufall sollte man das Klima – meines Erachtens nach – jedenfalls nicht überlassen.
Schreibe einen Kommentar